Der Laufticker berichtet

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2015, das war sein Jahr. Wir reden über Jannik Arbogast. Der schlaksige Athlet (1,79 m, 65 kg) rannte im letzten Jahr förmlich allen davon. Sämtlich Bestzeiten des Karlsruhers stammen aus 2015. Dabei war es dem Lehramtsstudenten (Geographie und Sport) egal, ob kurz oder lang. So lief Jannik über 1.500m in 3:50,94 min. eine schnelle Zeit sowie über 10.000m in 29:32,16 min. zum Deutschen Vizetitel. Selbst auf der Straße fühlt sich der am 04.07.1992 in Bretten geborene Athlet wohl; das zeigen seine Bestzeiten über 10km Straße (29:46 min.) und im Halbmarathon (66:49 h). Janniks phänomenale Entwicklung vollzog sich bei der LG Region Kalrsruhe unter den Augen seines Trainers Günther Scheefer.

laufticker.de traf den sympathischen Badener und wollte wissen, wie 2016 für ihn verlief. Wir fragten weiterhin, was Jannik antreibt und wie er den Leistungssport in seinen Alltag integriert.

1.    Jannik, du warst leider lange Zeit verletzt. Was war passiert?
Ich hatte ein Ödem am rechten Schienbein. Diese Verletzung kann in den letzten 8 Monaten nun schon 3x von neuem auf. Der Grund dafür ist recht einfach: Überbelastung und fehlende Regeneration.

Zum ersten Mal bekam ich es letzten Dezember. Nachdem das Ödem komplett ausgeheilt war, entschieden mein Trainer und ich uns eher für ein risikoreiches Training. Ich ging im März nach Kenia und der Umfang war ähnlich hoch wie vor der Verletzung. Im Nachhinein der falsche Weg, aber um jede Saison einen Schritt nach vorne zu machen, muss man diesen Schritt auch gehen.

Im Sommer ließ ich das Ödem nicht richtig ausheilen und es kam ein drittes Mal. Danach stand eine komplette Regeneration an. 5 Wochen gar keinen Sport: kein Schwimmen, kein Radfahren und keine Athletik. Das war sehr schwer für mich; das gab es seit 11 Jahren nicht mehr.

2.    Wer hat dir in dieser schweren Zeit geholfen? Wie geht es dir momentan?
Am meisten hat mir die Ablenkung vom Leistungssport geholfen. Die Freunde haben daran einen sehr großen Anteil. Nach einiger Zeit habe ich wieder locker mit dem Training begonnen. Ich konnte mit vielen Sportlern zusammen das Schwimm-, Rad- oder Athletiktraining absolvieren. Diese hatten alle mit den Leistungssport nichts am Hut, das hat mir sehr gut getan. Nicht ständig diese Fragen wie es um deine Verletzung steht, wann du wieder zurück kommst…

Meine Verletzung ist aus medizinscher Sicht komplett ausgeheilt. Jedoch habe ich viele Wochen keine Laufbewegung ausgeübt und ich werde sehr langsam wieder einsteigen. Bis zu den ersten Tempoläufen werden noch einige Wochen vergehen.

3.    Trainierst du jetzt anders? Wirst du künftig mehr auf deinen Körper hören?
Wir wissen nun, welche Belastungen zu dieser Verletzung führen. In Zukunft werden wir mehr alternativ zuarbeiten müssen und die Regeneration vor allem nach harten Belastungen verlängern.

4.    Doch nun nochmal zurück zum Anfang. Seit wann läufst du eigentlich? Wo liegen deine sportlichen Wurzeln?
Meinen ersten (Leichtathletik)-Wettkampf habe ich am 9.3.2003 bestritten. Das waren Kreismeisterschaften in Graben-Neudorf (dort bin ich aufgewachsen) mit dem Verein TSV Neudorf. Ein Freund drängte wochenlang, dass für die Staffel ein Läufer benötigt werde. Als ich dann endlich zusagte und den Lauf sogar gewinnen konnte, begann die Leichtathletikarriere.

Zuvor spielte ich aber jahrelang Fußball und war einmal die Woche im DLRG-Schwimmen. Als ich dann 2003 zur Leichtathletik kam, übte ich alle drei Sportarten aus. Nach einigen Jahren stand ich vor der Entscheidung: Fußball oder Laufen. Ich entschied mich für den Laufsport – eine goldrichtige Entscheidung!

5.    Du startest für die LG Region Karlsruhe. Ein erfolgreicher Verein, der in den letzten Jahren zahlreiche erfolgreiche Athleten hervorgebracht hat, u.a Patrick Zwicker, Frederik Unewisse, Melanie Tränkle und natürlich Jannik. Was ist das Besondere in Karlsruhe?
Meiner Meinung nach ist der sportliche Erfolg sehr stark von einem Trainer abhängig. Mit Günther Scheefer habe ich einen exzellenten Trainer gefunden. Er ist sehr gut organisiert sowie wissenswillig. Ferner zeichnet er sich durch eine sehr wissenschaftliche Arbeitsweise aus, immer auf der Suche nach neuen Methoden, und motiviert hervorragend durch schwere Zeiten.
Die Läufergruppe in Karlsruhe ist eine sehr gute Einheit. Den Sport üben wir als Mannschaftssport aus. Jeder versucht einem anderen zu helfen und dadurch wird ein Fortschritt erzielt. Jedoch wird das bei wachsender Gruppengröße schwieriger.

6.    Neben dem umfangreichen Training studierst du Sport und Geographie (Lehramt für Gymnasien) an der Uni Karlsruhe. Wie schaffst du es alles unter einen Hut zu bekommen und wie motivierst du dich?
Manchmal frage ich mich, warum ich das überhaupt mache. An der Universität gibt es sehr wenig Rücksicht auf den Leistungssport, aber ich weiß auch dass ich keinen Kaderstatus habe und es dadurch schwierig wird.

Der Fokus liegt klar auf dem Sport (solange es noch geht und es mir VOR ALLEM Spaß macht). Ich werde mein Studium nicht in Regelstudienzeit abschließen. Dazu bin ich bereit es noch weiter zu strecken, wenn der Sport weiterhin gut läuft.

Wichtig ist natürlich gut planen zu können. Ich trainiere 20-25 Stunden in der Woche und bin an 4 Tagen an der Universität. 1,5 Tage arbeite ich noch zusätzlich, um am Ende des Monats nicht mit leeren Händen dastehen zu müssen. Mit einer guten Planung kann man alles hinbekommen, oft aber zu Lasten einer gesunden Regeneration.

7.    Wie sieht für dich ein typischer Trainingstag in Kombination mit dem Studium aus?
Ich habe 4x die Woche 2-3 Veranstaltungen pro Tag an der Universität, d.h. einen halben Tag bin ich an der Uni und den Rest bin ich im Training. Als Sportstudent hat man den Vorteil, dass man gute Bedingungen am Institut vorfindet, z.B. Kraftraum, Schwimmbad, Laufstrecken, Duschen, etc.

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8.    Was macht für dich die Faszination Langstreckenlauf aus?
Über die Jahre war mein größter Anreiz zu sehen, wie lange ich meinen konstante Verlauf vorantreiben kann. Jährlich habe ich denselben Laktatstufentest gemacht. Über die Jahre hinweg konnte ich so meine kontinuierliche Entwicklung bergauf beobachten. Meine Faszination ist, wie weit ich das in meinem Fall weiter steigern kann.

Ein zweiter Aspekt ist das viele Reisen durch den Sport. Ich war in Iten/Kenia, Flagstaff/USA, Teneriffa, Italien und St. Moritz/Schweiz. Das hätte ich ohne den Sport sicherlich nicht erlebt.

9.    Was war in der Vergangenheit dein größter Erfolg und welche Emotionen verbindest du rückblickend mit diesem Rennen?
Mein größter Erfolg war das 10.000m Rennen in Ohrdruf bei den Deutschen Meisterschaften. Mit einem unrhythmischen Rennen und einem sehr schnellen Ende wurde ich mit 29:23 min. Deutscher Vizemeister. Bester Deutscher. Ab 2017 dürfen auch nur noch Athleten mit deutscher Staatsbürgerschaft starten. Leider 2 Jahre zu spät für mich…

Vor dem Rennen war ich drei Wochen in Kenia und eine Woche mit dem Verein in Cervia, Italien. Ich wusste nicht so richtig, was ich alles drauf habe. Man trainiert über Wochen hinweg für einen Tag. Den erwischte ich bei den Deutschen Meisterschaften über 10.000m.

10. Wie hast du dich mental auf diesen Höhepunkt vorbereitet bzw. wie sieht bei dir allgemein die mentale Vorbereitung aus? Gibt es einen Psychotrick?
Ich mache eigentlich das, worauf ich Lust habe. Was ich denke, das tut mir besonders gut. Bisher hat es immer sehr gut geklappt.

11. Was siehst du als deine Stärken, was als deine Schwächen an?
·      Stärken:
o  Großer Trainingsfleiß, was zugleich auch eine Schwäche sein kann
o  leidenschaftlich. bodenständig. zielstrebig. authentisch. beharrlich. wettkampfstark. ausdauernd. konsequent.
o  Immer bereit das Beste zu geben. Und wenn es im Laufen nicht geht, dann im Wasser oder auf dem Rad, irgendwas lässt sich immer finden woran man Spaß hat, wenn eine Sportart (verletzungsbedingt) ausfällt.

·      Schwächen:
o  Geringe Belastungsverträglichkeit
o  Mehr als 100% leisten zu wollen, geht halt nicht 😉

12. Wie sehen nun die nächsten Monate aus? Was sind deine Highlights für 2017?Die nächsten Monate sehen einen ruhigen Aufbau vor, um mich an harte Belastungen heranzuführen.
Deshalb sind die Ziele für 2017 einfach: GESUND bleiben und gut vorbereitet an der Startlinie stehen. Der Rest kommt dann (hoffentlich) wieder von alleine.

13. Wann dürfen wir mit deinem Marathondebüt rechnen?
In den nächsten Jahren möchte ich noch gerne die 5.000m und 10.000m verbessern. Ein Debüt wird sicher noch eine Zeit brauchen; ich kann mir aber vorstellen als Tempomacher schonmal Marathonluft zu schnuppern.

C) Bestzeiten: 

1.500m:3:50,94 min.2015
3.000m:8:08,92 min.2015
5.000m:13:52,05 min.2015
10.000:29:23,16 min.2015
10km:29:46 min.2015
Halbmarathon:66:49 h(als Tempomacher)2015

Das Portrait wurde am 4. Dezember hier veröffentlicht.

By: Jörn Harland
Fotos: Jens Arbogast